POSITIONSPAPIER ZUM INNENSTADTKONZEPT (2020 BIS 2030)

Auf einer Pressekonferenz am 07. Februar 2020 hat der Senat durch den Ersten Bürgermeister, die Stadtentwicklungssenatorin und den Oberbaudirektor ein „Maßnahmenprogramm zur Aufwertung der Innenstadt“ mit dem Titel „Eine attraktive Innenstadt für alle“ vorgestellt, das „im Dialog mit allen Beteiligten und Partnern bis Mitte 2020“ in ein gemeinsames Handlungskonzept „Innenstadt – Perspektive 2020 bis 2030“ münden soll.

Wesentliche Schwerpunkte des Programms sind die Aufwertung öffentlicher Räume und ein Mobilitäts-Konzept mit dem Ziel der Verringerung des motorisierten Individualverkehrs (MIV). Überdies soll die Nutzungsvielfalt insbesondere durch mehr Wohnen verbreitert werden.

I. AUFWERTUNG ÖFFENTLICHER RÄUME

Das politische Ziel, öffentliche Räume und Wegeverbindungen aufzuwerten, ist nicht neu. Bereits im Koalitionsvertrag vom Februar 2015 hatten die Koalitionspartner unter dem Titel „Innenstadtkonzept“ formuliert: „So sind zum Beispiel die Wegeverbindungen zwischen City und HafenCity aufzuwerten: Verknüpfung von Spitalerstraße und Mönckebergstraße über die Achse Kurze Mühren/Georgsplatz/Brandsende, GerhartHauptmann-Platz/Alstertor nach Norden zum Ballindamm und nach Süden über die Steinstraße zum Kontorhausviertel. Hinzu kommen die Belebung des Kontorhausviertels und die Aufwertung von Burchardplatz, Gerhart-Hauptmann-Platz, Georgsplatz, Gertrudenkirchhof“. Diese Passage war überwiegende wörtlich dem Positionspapier des Trägerverbundes zum südlichen Überseequartier entnommen.

Von diesen Vorhaben sind in den vergangenen 5 Jahren lediglich die Planungen und die finanzielle Sicherstellung der Aufwertung von Gerhart-Hauptmann-Platz und Ida-Ehre-Platz erfolgt. Teile der aufgezählten Vorhaben waren in den vergangenen Jahren zwar Gegenstand von Planungen, die im Arbeitskreis Innenstadt vorgestellt wurden, so z.B. die Achse Lange Mühren/Kurze Mühren/Brandsende einschließlich Georgsplatz; ihre Realisierung scheiterte aber stets an fehlenden finanziellen Mitteln.
In die Genugtuung über die Senatspläne zur Neugestaltung innerstädtischer Plätze und Achsen mischt sich mithin eine nicht geringe Skepsis; sie aufzulösen, erfordert zwingend eine konkrete finanzielle Unterlegung der Planungen.

Im Einzelnen soll die Aufenthaltsqualität in folgenden öffentlichen Räumen durch Aufwertung, Neugestaltung und Begrünung gesteigert werden:

  • Burchardplatz mit seinen angrenzenden Straßen
  • Hopfenmarkt und Bereiche der Querungen von Willy-Brandt- und Ludwig-Erhard-Straße
  • Uferbereiche der Binnenalster
  • Gertrudenkirchhof
  • Achse Johanniswall – Brandsende
  • Rathausquartier
  • Erweiterung des Hauptbahnhofs und Ausbau der Kunstmeile
  • Überdeckelung des südlichen Gleisfeldes am Hauptbahnhof
  • Rödingsmarkt, Verbindung Alter Wall/Rödingsmarkt

Diesen Vorhaben ist uneingeschränkt zuzustimmen. Dabei ist daran zu erinnern, dass der Trägerverbund bereits vor mehr als zwei Jahrzehnten die Überdeckelung der Bahngleise südlich des Hauptbahnhofs vorgeschlagen hatte. Auch hatte der Trägerverbund schon im Jahre 2001 unter dem Titel „Burchardplatz und Revitalisierung des Kontorhausviertels“ Vorschläge für die Aufwertung dieses Stadtraums vorgelegt.

Die Aufwertung der genannten öffentlichen Räume geht einher mit der völligen (Burchardplatz, Hopfenmarkt) oder teilweisen Aufhebung von Stellplätzen und/oder Fahrspuren. Das ist vertretbar, erfordert in der öffentlichen Kommunikation aber zwingend die Botschaft, dass Ziel der Maßnahmen nicht die Verdrängung des Autos, sondern die Verschönerung der Innenstadt ist. Die private Wirtschaft hat mit den von den BIDs getragenen Aufwertungen der öffentlichen Räume in der westlichen Innenstadt ein Beispiel dafür gegeben, dass die – behutsame – Reduzierung von Flächen für den ruhenden und auch fließenden Verkehr in der Wahrnehmung durch das Publikum überlagert wird von der Wirkung schön gestalteter öffentlicher Räume.

II. MEHR RAUM FÜR FUSSGÄNGER

Das Ziel „Mehr Raum für Fußgänger“ umfasst ein Bündel von Maßnahmen mit dem Schwerpunkt Reduktion des Individualverkehrs. Dieses Ziel knüpft erkennbar an die Diskussion über die „autofreie“ oder „autoarme“ Innenstadt an und bedarf einer gründlichen, faktenbasierten Analyse.

Zu diesen Fakten zählt die empirisch belegte Tatsache, dass die Besucher und Kunden des innerstädtischen Einzelhandels in Hamburg zu mehr als zwei Dritteln mit öffentlichen Verkehrsmitteln kommen. Von den in Hamburg Wohnenden sind es sogar über 80 %, von den Kunden mit Wohnsitz außerhalb der Hansestadt über 60 %. Kein Hamburger Geschäftsquartier weist hinsichtlich der Verkehrsmittelwahl seiner Besucher einen umweltfreundlicheren Modal Split auf als die Innenstadt. Der motorisierte Individualverkehr in der Innenstadt ist überwiegend Durchgangsverkehr auf Ring 1, Willy-Brandt- und Ludwig-Erhard-Straße sowie Steinstraße. Auf den Ziel- und Quellverkehr entfällt der geringere Anteil des motorisierten Individualverkehrs. Die innerstädtischen Parkhäuser sind durchschnittlich nur zu 2/3 ausgelastet. Vor diesem Hintergrund ist der Ruf nach autofreier Innenstadt pure verkehrspolitische Symbolik. Zudem: Ungeachtet weiterer wachsender PkwZulassungszahlen in Hamburg gehen die mit dem Pkw zurückgelegten Wegstrecken in der Hansestadt seit Jahren zurück – und zwar von 47 % im Jahr 2002 über 42 % im Jahr 2008 auf 36 % im Jahr 2017. In der Innenstadt war der Rückgang sogar überproportional.

Das gilt auch für den Jungfernstieg. Nach seiner umfassenden Neugestaltung – überwiegend mit privaten Mitteln – verfügt der Jungfernstieg zwischen Ballindamm und Neuer Jungfernstieg auf beiden Straßenseiten über die breitesten Boulevards für Fußgänger und Radfahrer in der gesamten Innenstadt. Autos stören hier nicht. Zudem müssten Besucher längere Anfahrtswege zu den Stellplätzen, die erreichbar bleiben sollen, in Kauf nehmen. Das gleiche gilt für Handwerker und sonstige Dienstleister, die in dem Quartier tätig werden müssen.

Nochmals: Der innerstädtische Einzelhandel ist in seiner traditionellen Rolle als stärkste Kraft innerstädtischer Urbanität wegen der kontinuierlichen Umsatzabwanderung in den Online-Handel ohnehin massiv gefährdet. Er bedarf der besonderen politischen Zuwendung. Verkehrspolitische Experiment gehören nicht dazu.

Die vorgeschlagene Verlagerung von Teilen des Busverkehrs von der Mönckebergstraße in die Steinstraße weist in die richtige Richtung, reicht aber nicht aus. Anlieger der Mönckebergstraße sowie der Trägerverbund und das City-Management haben vorgeschlagen, den Busverkehr dauerhaft aus der Mönckebergstraße herauszunehmen und ihn durch zwei technisch innovative Ringbahnlinien zu ersetzen. Perspektivisch könnten dann die verbleibenden notwendigen konventionellen Buslinien durch die Steinstraße geführt werden ohne dass diese zur Kommunaltrasse werden müsste.

Die gänzliche Sperrung der Bergstraße lehnt der Trägerverbund ab. Diese ist als Teil der sogenannten Domachse unmittelbare Verbindung zwischen der gewachsenen Innenstadt und der HafenCity und sollte daher offenbleiben.

Grundsätzlich unterstützt der Trägerverbund die Reduktion des ruhenden Verkehrs im öffentlichen Straßenraum, wenn diese einhergeht mit der städtebaulichen Aufwertung der betreffenden Quartiere, wie dies etwa für das Rathausquartier geplant ist.

Die in dem „Maßnahmenpapier“ des Senats angekündigte Fortschreibung des Sanierungsprogramms „Hamburger Plätze“ als Investitionsprogramm für den öffentlichen Raum in der Innenstadt wird begrüßt. Nahezu alle im Koalitionsvertrag von 2015 aufgezählten Maßnahmen zur Aufwertung öffentlicher Räume in der Innenstadt scheiterten bisher an dem Fehlen ausreichender Finanzmittel. Diese Hemmschwelle muss beseitigt werden. Die Politik darf sich auch nicht darauf verlassen, dass alle notwendigen Aufwertungen öffentlicher Räume in der Innenstadt ausschließlich oder überwiegend von den Grundeigentümern im Rahmen von BIDs bezahlt werden. Auch die Stadt ist in nennenswertem finanziellen Umfang gefordert. Die von der Stadtentwicklungssenatorin ins Gespräch gebrachte Summe von 50 Mio. Euro dürfte bei weitem nicht reichen.

Die unter der Überschrift „Innovative City-Logistik und Anlieferungskonzepte“ angekündigte Maßnahmen bedürfen der Konkretisierung. Private Initiativen haben seit langem Ideen entwickelt, wie der zunehmende Lieferverkehr stadtverträglicher geordnet werden kann. Freiräume in Parkhäusern und unterhalb innerstädtischer Plätze sollten als Sammelstationen ausgebaut werden, von denen aus die „letzte Meile“ unschwer mit umweltverträglichen Transportmitteln überbrückt werden könnte. Wichtig ist in diesem Zusammenhang, dass Lieferfahrzeuge (dies gilt auch für Handwerker und sonstige Dienstleister) ohne Behinderung des fließenden oder verbleibenden ruhenden Verkehrs halten können. Dazu bedarf es der Ausweisung entsprechender Ladezonen u.a. auf den Flächen, auf denen der ruhende Verkehr herausgenommen wird.

III. SCHIENENGEBUNDENER ÖFFENTLICHER PERSONENNAHVERKEHR

Für die Zentralität und die Erreichbarkeit des Hamburger Zentrums spielt die Erreichbarkeit aus den peripheren Wohnstandorten eine übergeordnete Rolle.

Dazu dient in vergleichbaren Metropolen, zu denen Hamburg im Wettbewerb steht, ein dichtgewebtes Bahnnetz. Bahnen sind die leistungsfähigsten Verkehrsträger. Der Ersatz der in den 70er Jahren entfernten Straßenbahn - mit ca. 350 km Streckenlänge die größte Anlage ihrer Art und Zeit- ist nie erfolgt. Seitdem sind ca. 50 Jahre vergangen, ohne dass es einen adäquaten Ersatz gegeben hätte. Auch heute noch sind ganze Stadtteile nicht an den schienengebundenen ÖPNV angebunden, also im wahrsten Sinne des Wortes zum Nachteil der Bevölkerung „abgehängt“. Finkenwerder, Schnelsen, Lurup, Gr. Borstel, Winterhude/Uhlenhorst sind nur ein paar besonders prägnante Schlagwörter.

Die Planungen um die U5 aber auch zur U4 und der S4 sind hinlänglich bekannt, da ja auch schon lange in der Diskussion. Bei der Konzeptionierung der U-Bahn-Linien haben wir den Wunsch, dass die Innenstadt direkt angefahren wird. Eine U5, welche die City nur im Bereich des Dammtors streift, erfüllt den Zweck nicht. Wesentlich ist der direkte Kontakt am wichtigsten Knotenpunkt, dem Jungfernstieg und sicher auch am Hauptbahnhof. Da die U5 unter der Ägide der Stadt entstehen soll, haben wir die berechtigte Hoffnung, dass das Vorhaben tatsächlich gebaut wird. Gleiches gilt auch für die Verlängerung der U4. - Allein wegen des Zeithorizontes von 20 Jahren und mehr ist der Trägerverbund dezidiert der Ansicht, dass das Vorhaben U5 beschleunigt werden muss.

Die elend langen Vorhaben der Deutschen Bahn, also auch der S-Bahn, hinterlassen bisher einen fahlen Geschmack. Auch ist die Zuverlässigkeit der S-Bahn im Verhältnis zu der städtisch betriebenen U-Bahn haarsträubend. Mit Interesse verfolgen wir daher den Vorschlag des Staatssekretärs im Bundesverkehrsministerium, Enak Ferlemann, einer zweiten Stammstrecke der S-Bahn unter der zentralen Stadt. In München wird an einer vergleichbaren Achse bereits gebaut. Der Hauptbahnhof, der in anderen Städten wohl schon aus feuerpolizeilichen Gesichtspunkten geschlossen worden wäre, erhielte endlich die entscheidende Mehrkapazität und ein der Rolle der Großstadt entsprechendes Gesicht. Nur muss die Frage erlaubt sein: Bekommt die Deutsche Bahn das hin? Der Trägerverbund regt an, dass die Freie und Hansestadt Hamburg das Planungsverfahren und den Bau an sich zieht.

Sowohl im Hinblick auf die U-Bahn wie auf die S-Bahn wäre eine Erhöhung der Taktung wünschenswert.

Hamburg, den 11. Mai 2020