Tätigkeitsbericht zur Mitgliederversammlung des Trägerverbundes am 22. Juni 2023

Jean Jaques de Chapeaurouge 
Tätigkeitsbericht zur Mitgliederversammlung des Trägerverbundes am 22. Juni 202

Mit meiner Rede will ich Sie alle heute und die Stadtpolitik für die Zukunft fordern. Sie sind als selbstbestimmte Bürger der Souverän, die Politik ist das umsetzende Organ. Machen wir den Mund auf!

Der Trägerverbund Projekt Innenstadt e.V. als Vertreter des selbstbestimmten Bürgertums steht für die erfolgreiche Weiterentwicklung der zentralen Stadt, bestehend aus City und HafenCity. Die Innenstadt als Erlebnis-, als Arbeits- und als Wohnort sortiert sich neu. 

Diese Feststellung ist beinahe trivial. Weniger trivial ist die publizistische und politische Begleitmusik dieses Prozesses. Die ist eher verstörend. 

Mediale Abgesänge auf die gewachsene Innenstadt wie neulich in der ZEIT wechseln mit Schlagzeilen wie „Aufbruch der Stadt“ oder „Neue Hoffnung für die City“ im Hamburger Abendblatt. Vorgestern besprach die ZEIT die erfolgreiche westliche Innenstadt als „Bling-Bling“. Was nicht erwähnt wird, ist die Tatsache, dass die private Wirtschaft agiert und investiert, neue Konzepte erdenkt und manches bereits umsetzt. Veränderungen bieten ja auch Chancen! Wir sollten uns nicht verzwergen, sondern offensiv das Bild einer pulsierenden Metropole pflegen. Von außen gesehen ist Hamburg das. 

Wir wünschen uns, dass die Stadt darauf angemessen reagiert.

Wir haben die Erwartungshaltung, dass 

  • die Zentralität des Stadtkerns als Herz der Stadt gestärkt wird,
  • durch infrastrukturelle Maßnahmen dafür gesorgt wird, dass die zentralen Bereiche zusammenwachsen und nicht Insellösungen nebeneinander her existieren
  • die Verkehrspolitik sich an den Bedürfnissen der Metropole orientiert.

Die Politik macht mit dem „Runden Tisch Innenstadt“ beim Ersten Bürgermeister im glanzvollen Rahmen des Kaisersaals des Rathauses die Innenstadt zur Chefsache, vermittelt aber schon bei den thematischen Niederungen wie Sicherheit, Sauberkeit, Umgang mit Randständigen den Eindruck von Hilflosigkeit – ein verwirrendes Bild von Aktivismus und Stillstand, angereichert durch schwer nachvollziehbare Entscheidungen, wie die Standortwahl für das Naturkundemuseum in der HafenCity direkt neben dem Überseequartier und HCU. Da entsteht eine neue City. 

Unsere letzte Mitgliederversammlung am 10. November vergangenen Jahres mit dem Leiter des Bezirksamtes Hamburg-Mitte, Ralf Neubauer, als Gastredner lag gerade eine knappe Woche zurück, da überraschte das Hamburger Abendblatt am 16. November mit der Meldung, die Politik habe beschlossen, das Naturkundemuseum in der HafenCity zu platzieren. Der stellvertretende Chefredakteur des Hamburger Abendblatts, Matthias Iken, kommentierte diese Entscheidung unter dem Titel „Ein Sargnagel für die Innenstadt“ als „geschichtsvergessen und zukunftsverloren“. Wir begrüßen das Naturkundemuseum vollen Herzens, sehen aber darin die Chance, den Umbau der östlichen Innenstadt zu beschleunigen und die Anbindung der HafenCity zu verbessern zumal sich hier hochinteressante Standorte befinden, die integrieren können.

Der Trägerverbund hat deswegen noch am Tag der Veröffentlichung dieser Meldung ein Schreiben an den Ersten Bürgermeister gerichtet, in dem er die Standortwahl hinterfragt. Der Trägerverbund hatte seit langem – auch in einer umfassenden Korrespondenz mit der Zweiten Bürgermeisterin und Wissenschaftssenatorin Fegebank - gefordert, dass das Naturkundemuseum seinen Standort in der KernCity haben müsse. Eine wissenschaftliche Einrichtung wie das Naturkundemuseum, so der Trägerverbund, gehört in das Herz der Stadt als zentraler Besuchermagnet ebenso wie als wesentlicher Beitrag zur notwendigen größeren Nutzungsvielfalt der Innenstadt. Dieses Schreiben an den Ersten Bürgermeister und weitere Aktivitäten mündeten schließlich in die Einladung der Zweiten Bürgermeisterin zu einem Meinungsaustausch am 19. Dezember letzten Jahres. Wir mussten feststellen, dass die Standortwahl -gelinde gesagt- wenig fundiert war. Wir haben der Senatorin eine Liste mit diversen Alternativstandorte benannt, welche überhaupt nicht erkannt worden waren. Eine uns überzeugende Antwort auf unsere Frage, ob es unüberwindliche Sachzwänge für die Standortentscheidung gegeben habe, konnten wir diesem Gespräch nicht entnehmen.

In diesem Zusammenhang:

Im kommenden Jahr geht das dann benachbarte Überseequartier in Betrieb. Der Senat hatte mittlerweile 8 Jahre Zeit, dafür zu sorgen, dass dieses für die Gesamtstadt interessante und hochinnovative Projekt auch als Teil der Innenstadt begriffen werden kann. Sie tut das Gegenteil. Sie sperrt die gewachsene Hauptachse für Verkehre, spielt Neubau auf der grünen Wiese und integriert - nichts. Erst jetzt -im Sommer 2023- wird auf unser Betreiben hin die Diskussion um die sogenannte Domachse begonnen! Vorschläge z.B. zu einer pendelnden, auch für Touristen interessanten Straßenbahn zwischen Moorweide über den Jungfernstieg hinweg zum Überseequartier wurden freundlich zur Kenntnis genommen, aber liegen ad acta. Die Behauptung, das Überseequartier sei ja gut zu Fuß erreichbar, spottet der Realität.

Am 20. Februar dieses Jahres fand der zweite „Runde Tisch Innenstadt“ beim Ersten Bürgermeister statt. Der Trägerverbund hat im Vorfeld dieses Treffens am 10. Februar ein ausführliches Schreiben an den Ersten Bürgermeister gerichtet, in dem er auf Vollzugsmängel in den Bereichen Verkehrspolitik, Umgang mit Randständigkeit und Umfeld Hauptbahnhof hingewiesen und Abhilfe gefordert hat. 

Die Fixierung der Verkehrspolitik auf Radverkehrspolitik wird den Anforderungen an einen Wirtschaftsstandort wie die Innenstadt mit 200.000 Arbeitsplätzen und zahllosen Besuchern nicht gerecht. Die Verkehrswende, die wir befürworten, bedarf eines verkehrlichen Gesamtkonzepts für Hamburg einschließlich des Umlandes. Einzelmaßnahmen, wie die Sperrung des Jungfernstiegs, haben politische Symbolkraft, sind aber nicht Ausfluss eines verkehrspolitischen Gesamtkonzepts, das auch die Erreichbarkeit des Wirtschaftsstandortes Innenstadt gewährleisten muss. 

Und natürlich muss die Innenstadt erreichbar sein – für alle mit allen Verkehrsmitteln. Die Innenstadt ist unser gemeinsames Erbe, das Zentrum unseres politischen Gemeinwesens und Marktplatz für Austausch, Handel und Kultur. Ein knappes Drittel der bei der Studie „Vitale Innenstädte“ im Spätherbst letzten Jahres befragten Besucher kamen mit dem Auto. Mit dem Fahrrad kamen 5,5 %. Die Verengung der Verkehrspolitik auf das Fahrrad wird nicht nur den Bedürfnissen der Menschen, sondern auch dem Koalitionsvertrag nicht gerecht. Dort steht, die Politik wolle „eine attraktive Innenstadt für alle“. FÜR ALLE. 

Das Problem der Randständigkeit vor allem – aber keineswegs nur – im Eingangsbereich der östlichen Innenstadt muss ich nicht näher schildern; es ist zu offensichtlich. Wir haben gemeinsam mit dem Bezirksamtsleiter und der Polizei einen Rundgang durch diesen Bereich gemacht und uns das Bild, das sich dem Besucher dort bietet, noch einmal vor Augen geführt. Der Befund ist klar. Klar sind leider aber auch die an Hilflosigkeit grenzenden Interventionsmöglichkeiten der Polizei und der bezirklichen Ordnungskräfte, denen die politische Rückendeckung versagt wird. Dass man mit Randständigkeit, Obdachlosigkeit und Bettelei anders umgehen kann, zeigen die Beispiele anderer Städte, wie München und sogar Bremen.

Diese Niederungen beherrschen allerdings nicht die Treffen zum „Runden Tisch Innenstadt“ beim Ersten Bürgermeister. Dort beherrschen eher schöne Bilder zur neuen Steinstraße die Szene. Gleichwohl sind die Begegnungen wichtig. Es ist ein neues Format der öffentlichen Auseinandersetzung der Politik mit der Innenstadtentwicklung – begleitet von der Hoffnung, dass auch substantiell etwas dabei herauskommt. Immerhin konnten wir ein Junktim formulieren: Zustimmung zum Umbau der Steinstraße zu einer Kommunaltrasse, soweit die Diskussion um die Domachse endlich aufgenommen wird!

Irritierend war dann, dass die anschließende Pressekonferenz zum Thema Steinstraße ohne uns stattfand. Die Handelskammer, die keinerlei Initiative in diesem Zusammenhang gezeigt hatte, war anwesend.

Zurück zur Verkehrspolitik:

Die Kritik des Trägerverbundes an der Verkehrspolitik in seinem Schreiben vom 10. Februar an den Ersten Bürgermeister zur Vorbereitung auf den Runden Tisch am 20. Februar hat zu einem Gesprächswunsch des Verkehrssenators geführt, dem ich am 28. März nachgekommen bin. Dem Verkehrssenator hatte es offensichtlich nicht gefallen, dass ich in dem Schreiben an den Ersten Bürgermeister auf die soziale Schieflage hingewiesen hatte, die Folge der fahrradaffinen Verkehrspolitik sei. Der kostenträchtige Radwegeausbau kommt nämlich in erster Linie den in den innenstadtnahen Quartieren wohnenden Verkehrsteilnehmern von vielleicht 500.000 Menschen zugute, während die in den Randbezirken der Metropolregion lebenden 5 Millionen Menschen die Nachteile des nicht hinreichend ausgebauten ÖPNV und ständiger Staus in Kauf nehmen müssen. Das ist Klientelpolitik! In Berlin hat das zur Abwahl der Grünen geführt. In dem Gespräch habe ich erneut ein ganzheitliches Verkehrskonzept für Hamburg angemahnt und den Senator aufgefordert, die Maßnahmen zu begründen, uns und die Bürger mitzunehmen! Es könne nicht sein, dass eine eigentlich gut gemeinte Politik letztlich daran scheitere, dass Menschen sich vor den Kopf gestoßen fühlten. Damit werde nichts erreicht, außer dass politische Ränder zum Nachteil unserer Gesellschaft gestärkt würden.

Ich kann es nicht oft genug wiederholen: Die Erkenntnisse der Verkehrsbehörde zum Individualverkehr sind politisch verzerrt. Wenn man mit mehr als 800 Baustellen, zumeist in den Zubringerstraßen im Außenbereich der Stadt, verkehrsbehindernde Maßnahmen schafft, dann wird der Verkehrsfluss abgeklemmt. Dass dann auch weniger Fahrzeuge ins Zentrum kommen, ist kein Erfolg eines Verkehrskonzeptes, sondern Schikane. Mir fehlt die ganzheitliche Herangehensweise welche die unterschiedlichen Verkehre koordiniert. Im übrigen darf ich daran erinnern, dass wir es waren, die in den letzten 20 Jahren den Individualverkehr zugunsten einer verbesserten Aufenthaltsqualität in der zentralen Stadt durch unser BiD´s um 15-20 % abgesenkt haben. Wir haben etwas für die Umwelt getan, weil wir wie alle vernünftigen Mitbürger dasselbe Interesse haben, unsere Erde zu bewahren. Für die Politik muss das heißen: Nehmt uns als die Risikoträger der Stadtpolitik mit! Erklärt Eure Politik, dann versteht Ihr auch, was Ihr macht! Geht nicht über uns hinweg! Der gern genutzte Begriff der „Stakeholder“ ist zu allgemein und nur noch eine politische Blase.

Uns alle treibt das Thema „Versiegelung der Stadt“ um. Wir brauchen Verdunstung, um die Stadt im Hochsommer erträglich zu machen. Was passiert: Der Burchardplatz wird neu hergestellt, verzeihen Sie mir „als Steinwüste“. Unsere Forderung zu einem breiten gut gepflegten Beet über die ganze Länge des Jungfernstiegs mündet in einigen Pflanzkübeln. Nun habe ich gedacht, eine rot-grüne Landesregierung würde auf unsere Idee freudig und positiv reagieren. Nichts. Der Jungfernstieg sieht derzeit trostlos aus; ein verkehrsmäßiges Grauen, Gewalt vor der Europa-Passage, Zeitschiene gerissen, kein Café vor dem Alsterhaus; Begründung: Ein Anschluss im Öffentlichen Raum für einen privaten Nutzer sei nicht machbar. Die Hoffnung bleibt: Alles wird gut, spätestens 2025 oder später!

In meinem Geschäftsbericht zu unserer letzten Mitgliederversammlung am 10. November vergangenen Jahres hatte ich auf die seinerzeit noch laufende Untersuchung „Vitale Innenstädte“ des Instituts für Handelsforschung an der Universität zu Köln hingewiesen, bei der die Innenstadtbesucher u.a. nach den Gründen für ihren Besuch, nach ihrem Wohnort, nach der Verkehrsmittelwahl, nach der Bewertung von Geschäften, Stadtraum und Verkehr befragt wurden. Nach längerer Pause hatte sich Hamburg wieder an dieser Studie beteiligt. Die Gesamtkosten von 18.000 Euro hatten sich die Stadtentwicklungsbehörde, die Handelskammer, das City-Management und der Trägerverbund geteilt. Seit Februar d.J. liegen die Ergebnisse vor. Und um mit einem besonders erfreulichen Resultat zu beginnen: Der mit Abstand wichtigste Besuchsgrund für das Aufsuchen der Hamburger Innenstadt ist das Einkaufen / der Einkaufsbummel. Das gilt sowohl für die Besucher aus Hamburg als auch – sogar noch stärker – für die Besucher von außerhalb. Das passt zu der Schlagzeile der eingangs erwähnten Hamburg-Ausgabe der ZEIT „Kein Mensch kommt mehr zum Shoppen in die Innenstadt“. 

Zweitwichtigster Besuchsgrund für die Hamburger ist die Gastronomie. Die Besucher aus dem Umland geben als zweitwichtigsten Besuchsgrund das Verweilen / Sightseeing an. Auch das Freizeit- und Kulturangebot rangiert nach dem Einkaufen und der Gastronomie bzw. dem Sightseeing auf einem der vorderen Ränge der Besuchsmotive. 

Die Attraktivität der Innenstadt wird durchgehend mit der Schulnote 2,1 bewertet. Die schlechtesten Schulnoten weisen „Autofreundlichkeit“ und „Parkmöglichkeiten“ auf – wen wundert es? 

Ohne mich in Einzelheiten zu verlieren, vermitteln die Ergebnisse der Untersuchung „Vitale Innenstädte“ ein deutlich besseres Bild der Hamburger Innenstadt aus Sicht der Besucher als es die Publizistik häufig tut. Defizite werden nicht verschwiegen: Stadtbegrünung, Sauberkeit und Sicherheit schneiden eher schlechter ab. Der Reparaturbedarf ist also offensichtlich.

Nach Herkunftsorten kamen 71 % der Innenstadtbesucher aus Hamburg und 29 % von außerhalb. Von diesen 29 % hatten 13 % ihren Wohnsitz in Norddeutschland und 12 % in anderen deutschen Städten. Aus dem Ausland kamen rund 3 % der Besucher.

Wichtig ist noch die Verkehrsmittelwahl der Besucher der Innenstadt. Der ÖPNV rangiert mit 56 % an der Spitze. Gefolgt von Pkw / Motorrad mit immerhin 31 %. Das Fahrrad rangiert mit 5,5 % nicht dort, wo der Verkehrssenator dies vielleicht gerne hätte.  Zu Fuß kommen 7 %. Diese Zahlen machen deutlich, wie sehr die Innenstadt auf die Erreichbarkeit auch mit dem Pkw angewiesen ist. Knapp ein Drittel der Besucher kommen mit diesem Verkehrsmittel. Die Zahlen zeigen aber auch, dass im Vergleich zu früheren Jahren der Zuwachs an Fahrradverkehr von früher 2% auf inzwischen 5,5 % auf Kosten der ÖPNV-Quote gegangen ist und nicht zulasten des Pkw-Verkehrs. Dies unterstreicht die Feststellung, dass der begrüßenswerte Ausbau des Radwegenetzes in erster Linie den Besuchern aus den innenstadtnahen Bereichen zugutekommt, die nicht mehr mit der Bahn, sondern mit dem Fahrrad kommen, während die weiter außerhalb wohnenden Besucher der Innenstadt weiterhin auf ÖPNV oder Pkw angewiesen sind. 

Die Studie deckt durchaus auch Schwächen aus der Sicht der Innenstadtbesucher auf, aber sie vermittelt insgesamt ein sehr viel besseres Bild von der Innenstadt als es gelegentlich medial heruntergebetet wird. 

Die Politik hat auf die Veröffentlichung der Studienergebnisse bewusst verzichtet – sicherlich auch, um kritischen Fragen von Journalisten auszuweichen. Mit Stadtentwicklungssenatorin Karen Pein sind wir uns darüber einig, dass die Studie ergänzt werden müsste um eine Befragung derjenigen, die nicht in die Innenstadt kommen. Erst dann ergibt sich ein geschlossenes Bild. 

Am 15. Dezember letzten Jahres, einen Monat nach unserer letzten Mitgliederversammlung, trat Karen Pein, das Amt der Senatorin für Stadtentwicklung und Wohnen an. Wir haben ihrer Vorgängerin, Dorothee Stapelfeldt, für ihre Amtsführung und das vertrauensvolle und konstruktive Zusammenwirken mit dem Trägerverbund gedankt. Es war Frau Stapelfeldt, die bei unserem seinerzeitigen Antrittsbesuch im Jahre 2015 mit uns gemeinsam die Idee eines Arbeitskreises Innenstadt entwickelte und damit eine gelungene und inzwischen bewährte Form des laufenden Austauschs zwischen Politik, Verwaltung und Gewerbetreibenden der Innenstadt schuf. Das Instrument hat sich bewährt, und man kann sich des Andrangs weiterer Teilnehmer nur schwer erwehren. 

Mit Senatorin Pein haben wir zeitnah nach ihrem Amtsantritt im Januar bereits ein erstes ausführliches Kennenlerngespräch geführt. Auf der Agenda standen dabei Themen wie Nutzungskonzept Innenstadt, Wegeverbindungen und Erreichbarkeit der Innenstadt, Auswirkungen des südlichen Überseequartiers auf die Innenstadt, Standort des Naturkundemuseums und IfH-Studie „Vitale Innenstädte 2022.Bei diesem Gespräch haben wir auch den heutigen Auftritt der Senatorin vor der Mitgliederversammlung vereinbart.  Das von ihr gewählte Thema des Vortrags „Leitbild Innenstadt – wo wollen wir hin?“ verspricht eine programmatische Auseinandersetzung mit der Zukunft unserer Innenstadt. 

Die Leitbilddiskussion nimmt Fahrt auf. Die Entwicklung eines Leitbildes Innenstadt steht auf der Agenda des Arbeitskreises Innenstadt. Die Innenstädte müssen andere werden, wie ich eingangs sagte, sie müssen sich neu sortieren. Allein in der östlichen Hamburger Innenstadt sind in jüngerer Zeit 60.000 qm Einzelhandelsfläche vom Netz gegangen. Das ist rund 1/5 der gesamten innerstädtischen Einzelhandelsfläche. Einiges wird nach der Revitalisierung der Gebäude zurückkommen; aber das ist nur ein Bruchteil des früheren Bestandes. Andere Nutzungen treten an die Stelle des vormals dominierenden, aber keineswegs verschwindenden Einzelhandels. Handel, Dienstleistungen, touristische Einrichtungen werden – in sich wandelnder Zusammensetzung – das wirtschaftliche Rückgrat der Innenstadt auch künftig bilden. Ich wiederhole: Wir begreifen diesen Wandel als Chance. Diesen Wandel treiben die Gewerbetreibenden der Innenstadt maßgeblich voran: Als Grundeigentümer und Entwickler ebenso wie als Mitglieder der flächendeckenden BIDs. Kultur und Wissenschaft gehören zur Vielfalt einer Innenstadt dazu. Die Entscheidung für den Standort des Naturkundemuseums sollte überdacht werden und das Haus der digitalen Welt in die KernCity kommen. 

Hamburg ist Kulturstadt. Merken wir etwas davon in den Öffentlichen Räumen? Eher nicht: Das Thalia-Theater muss heraus in seinen Vorgarten, den Gerhart-Hauptmann-Platz. Die Kunsthalle kann die Neugier des Publikums auf ihre Sammlung durch Ausstellungen in den Hauptkirchen, auf den Fleeten  oder auf dem Gertruden-Kirchhof wecken. Kontemporäre Installationen in St. Katharinen oder im Michel wären spannend. Ein Skulpturengarten auf dem Gänsemarkt wäre eine Idee. Wir könnten Ateliers gut gebrauchen. Die innerstädtischen Plätze müssen nicht nur schön sein oder es endlich werden, sie müssen auch bespielt werden und die Vielfalt der Innenstadt widerspiegeln. Der Rathausmarkt ist nach wie vor ein zentraler Omnibus-Bahnhof. Warum? 

Das bringt mich zu den Kirchen. Die Hauptkirchen sind für unser hamburgisches Grundverständnis nicht nur architektonisch konstitutiv. Sie sind die Prachtbauten unserer Geschichte, zuweilen haben viele Generationen über Jahrhunderte an Ihnen gebaut. Das heißt, die Kirchengemeinden haben hier große Verantwortung. Ein Workshop in St. Jacobi mit der Innenstadtkoordinatorin Frau Prof. Pahl-Weber im vergangenen Monat hat erste kleine Pflänzchen für die Nutzung der Gebäude und ihres Umfeldes erbracht. Ich meine, wir müssen die  nordelbische Kirche aus ihrer Burgmentalität heraus locken; die Gemeinden sind, so mein Eindruck, häufig weiter als die unsägliche Kirchenbürokratie. Das, verzeihen Sie mir, ist auch im Sinne von Jesus Christus, der sich sicherlich keinen hauptamtlichen Kirchenrat vorgestellt hat. Ich kann das jedenfalls in den Evangelien nicht feststellen. Kurzum- ich kann feststellen, dass sich die Gemeinden der Hauptkirchen das erste Mal überhaupt zusammengesetzt haben. Das ist gut so. Warum nutzt man die Kirchen nicht auch für Konzerte, Ballett, Jazzmusik, Kunstaustellungen, Lichtkunst, alles das, was eine Stadt zu einer unverwechselbaren Großstadt macht. In Maastricht hat man gotische Kirchen zu Bibliotheken und Restaurants gemacht. Die Idee eines Pilgerhotels war mir neu, ist aber doch beflügelnd. Die Gebäude sind so groß, dass Platz für Rückzugsräume bleiben. Aber Kirchen sind für die Menschen, die Öffentlichkeit gemacht. Dazu müssen sie sich öffnen.

Wie sie alle mitbekommen haben, könnte sich im kulturpolitischen Bereich eine weiter Chance bieten. Mit der Idee einer unterirdischen S-Bahn-Entlastungslinie ist das Gebäude des Museums für Kunst und Gewerbe in Frage zu stellen. Ursprünglich sollte das Haus ja eine Schule sein und ist für den Museumsbetrieb unterdurchschnittlich gut strukturiert. Die Sammlung des Hauses ist so groß, dass sich die Museumsleitung und die Kulturbehörde kaum darüber im Klaren sind, welche Schätze dort liegen. Es muss – wie ich höre - erst einmal eine Archivierung umgesetzt werden; das dauert Jahre. In dieser Zeit könnte ein Umzug geplant werden; z.B. zum Domplatz, um die Domachse zu stärken. Neben dem bereits erwähnten Naturkundemuseum und dem Haus der Digitalen Welt würde die Stadt ihre Attraktivität erheblich stärken. Vielleicht könnte man sogar 2 Fliegen mit einer Klappe schlagen und ähnlich wie beim Centre Pompidou eine Kulturstätte aus Museum und Digitaler Welt schaffen; das wäre zukunftsweisend.

Lassen Sie mich auch einen Hinweis zur Wohnungspolitik geben. Die Innenstadt sollte auch ein Platz zum Wohnen sein. Die Stadtpolitik der letzten 180 Jahre, beginnend mit dem Großen Brand von 1842, der Cholera-Epidemie von 1894 bis zum Bombenkrieg bis 1945 und der Abrissbirne der 50er Jahre hat das Gesicht der zentralen Stadt völlig verändert. Heute wünschen wir uns kurze Wege und machen das Gegenteil. Wir wollen belebte Stadtzentren haben aber insbesondere hier, hier in Hamburg, wenig für Neuansiedlung von Stadtbewohnern getan. Wir sehen Aktivitäten, wie das Vorhaben von Tishman Speyer im Bereich des alten Gruner & Jahr -Geländes; die Procom mit Dennis Barth traut sich an das alte Commerzbank-Gelände heran, gleiches gilt für Daniela Herz mit dem Burstah-Quartier. Adam Filipiak von der BILTON Projektentwicklung setzt es um. Dies sind alles Mitglieder unseres Trägerverbundes. Es passiert also schon etwas. 

Auch Wohnen in Hotels und Serviced Appartements bringen Menschen in die City und auf Straßen und Plätze. Das genügt aber noch nicht. Hier ist die Politik gefragt; es muss groß gedacht werden im Äquivalent zum Gewicht der Stadt. Wenn wir uns Quartiere auf der anderen Seite der Elbe inklusive der schienengebundenen Infrastruktur leisten, muss das erst recht für das Stadtzentrum gelten. Wir müssen an die Ost-West-Achse bestehend aus Willy-Brandt-Straße und Ludwig-Erhard-Straße ran. Hier ist der Platz für 50.000 Innenstadtbewohner; hier binden wir die gewachsene Stadt wieder zusammen. Mich macht es beklommen, wie die Stadtpolitik hier sich seit Jahrzehnten wegduckt. Wenn Köln und Düsseldorf die Rheinuferstraßen unter der Erde verschwinden lassen, wenn Frankfurt sich einen Schaumainkai leistet, dann können wir das mit der Verkehrswunde aus den 50er Jahren erst recht.

Erlauben sie mir einen weiteren Hinweis:

Die Umnutzung von Immobilien ist in Deutschland bürokratisch blockiert. Hier müssen wir gemeinsam ansetzen. Wenn wir durchmischte Strukturen in unseren Städten haben wollen, muss es möglich sein, zwischen verschiedenen Nutzungen zu springen. Allein schon die feuerpolizeilichen Anforderungen sind aber mit vernünftigem Augenmaß nicht mehr zu stemmen. Ich überspitze: Die Tatsache, dass wir mit Stahlbeton bauen und nicht mehr in strohgedeckten, leicht entflammbaren Lehmhütten hausen, hat sich nicht rumgesprochen.

Die deutsche Angewohnheit, das Rad immer wieder neu zu erfinden, hat uns bspw. im Wohnungsbau dazu gebracht im Schnitt mit Decken von mehr als 40 cm zu bauen, während man in den Niederlanden und Frankreich bei 20-25 cm liegt. Die Ersparnis bei dem Materialeinkauf ist evident. 

Warum sind Hochhausmaße bei uns schon bei 22 m erreicht? Die Baukosten springen ab 22,01 m dramatisch. Feuerwehrleitern reichen üblicherweise auch 32 m hoch. Wie wollen wir so mit dem knappen Gut „Baugrund“ nachhaltig umgehen? Ich weiß, dass die Freie und Hansestadt nicht alles allein regeln kann; sie hat aber genügend Gewicht auch auf Bundesebene Druck zu machen. Mit Städten wie Frankfurt, Köln, München haben wir logische Verbündete.

Das Ringen mit der Politik geht uns also nicht aus. Einen Schwerpunkt wird dabei unverändert die Verkehrspolitik darstellen. Das Handlungskonzept Innenstadt, das im Koalitionsvertrag verankert ist, beinhaltet bekanntlich auch die Neuordnung der Busverkehre in der Mönckebergstraße und der Steinstraße einschließlich einer Neugestaltung der Steinstraße, die 2025/26 erfolgen soll. 

Eng verknüpft damit ist die Zukunft der sogenannten Domachse vom Jungfernstieg zur HafenCity, also der klassischen Nord-/Südverbindung zwischen Innenstadt und HafenCity. Die Diskussion darüber beginnt in Kürze. Vom Ergebnis wird es ganz entscheidend abhängen, ob das Überseequartier Teil der Innenstadt wird oder ein Sonderstandort neben der Innenstadt. Die Frage birgt viel, auch parteipolitischen Konfliktstoff. 

Lassen Sie mich diesen kurzen Ausblick mit einem Dank an Frau Unger und die übrigen Vorstandskollegen für ihren unermüdlichen und zeitaufwendigen Einsatz für unsere gemeinsamen Belange schließen. Der Trägerverbund wird von der Politik gehört – mit unterschiedlichem Erfolg. Zum Erfolg trägt wesentlich die Rolle bei, die seine Mitglieder bei der Neuaufstellung der Innenstadt mit Investitionen in Milliardenhöhe spielen. Ein solches Bekenntnis zur Zukunft der Innenstadt darf nicht überhört werden.

Hamburg, den 22. Juni 2023
de Chapeaurouge