Die HafenCity als Erweiterung der Innenstadt um 40 Prozent soll nach der stadtentwicklungspolitischen Grundsatzentscheidung von Senat und Bürgerschaft als Teil der Innenstadt und nicht als neuer Stadtteil konzipiert werden.
Für den Einzelhandel im Überseequartier als dem kommerziellen Zentrum der HafenCity findet diese programmatische städtebauliche Entscheidung ihren Niederschlag auch im Innenstadtkonzept 2014, das die Aufgabe, den Einzelhandel im Überseequartier mit den etablierten Handelslagen im Passagenviertel und in der östlichen City zu verknüpfen, als eine der wesentlichen Herausforderungen der Innenstadtentwicklung der kommenden Jahrzehnte formuliert. Zutreffend wird als Voraussetzung der angestrebten Verknüpfung der Einzelhandelslagen gefordert, dass „bei der Entwicklung des Überseequartiers eine reine Wiederholung bekannter Themen,Warensortimente und Präsentationsformen vermieden wird“. Ziel müsse es vielmehr sein, die Lage des Überseequartiers „für neue Formate und Projekte zu nutzen, um neue Anbieter und Kunden, beispielsweise Besucher von Kreuzfahrtschiffen, zu gewinnen“.
Die im Masterplan HafenCity festgelegte Dimensionierung der Einzelhandelsflächen im gesamten Überseequartier mit 40.000 qm sprengt im Grunde bereits das städtebauliche Entwicklungsziel, dem Einzelhandel im Überseequartier die Funktion einer Ergänzung des Einzelhandelsangebots in der gewachsenen City durch maritime Angebote und innovative Einzelhandelskonzepte zuzuweisen. Doch immobilienwirtschaftliche Gründe waren letztlich für die Festlegung der Größenordnung von 40.000 qm Einzelhandelsfläche im Überseequartier ausschlaggebend.
Die im Dezember 2014 zwischen der Stadt und Unibail-Rodamco geschlossene Vereinbarung über die Gesamtentwicklung und die Realisierung des südlichen Überseequartiers sieht eine Einzelhandelsfläche von 80.500 qm Bruttogeschossfläche vor. Dies entspricht einer Nettoverkaufsfläche von rund 68.000 qm. Einschließlich der bereits entwickelten 8.000 qm Verkaufsfläche des Einzelhandels im nördlichen Überseequartier entstehen damit im gesamten Überseequartier rund 75.000 qm Verkaufsfläche des Einzelhandels und damit fast doppelt so viel wie im Masterplan HafenCity festgelegt.
Mit rund 70.000 qm Verkaufsfläche des Einzelhandels, 190 Ladeneinheiten und rund 3.000 Pkw-Stellplätzen übertrifft die geplante Einzelhandelsagglomeration im südlichen Überseequartier die Größe von Hamburgs größtem Shopping-Center, dem Alstertal-
Einkaufszentrum (AEZ) deutlich. Das AEZ verfügt nach dem EHI Shopping Center Report 2014 über eine Einzelhandels-Mietfläche von 55.700 qm, was einer Einzelhandels-Verkaufsfläche von knapp 50.000 qm entspricht. Und diese Größenordnung ist das Ergebnis einer dreimaligen organischen Erweiterung in einem Zeitraum von 35 Jahren. Die 70.000 qm Einzelhandelsflächen im südlichen Überseequartier dagegen sollen mit einem Schlag ans Netz gehen.
Mit einer derartigen Größe und Vielfalt ( die 190 Ladeneinheiten entsprechen der Zahl der Geschäfte in der Mönckebergstraße und der Spitalerstraße zusammen) des Einzelhandelsangebots, das noch durch 6.000 qm Fläche für Gastronomie abgerundet wird, entsteht im südlichen Überseequartier ein Solitär, ein autarkes Quartier mit einem Eigengewicht, das der Verbindung oder gar der wechselseitigen Befruchtung mit der gewachsenen City nicht bedarf.
Unibail-Rodamco plant für den Einzelhandel im südlichen Überseequartier ein wind- und wettergeschütztes “Geschäftsumfeld”, das der Einzelhandelsagglomeration die Wirkung und Wahrnehmung als geschlossenes Einkaufszentrum sichert. Verstärkt wird diese Wirkung durch ein im Vergleich zur gewachsenen City deutlich überproportionales Pkw-Stellplatzangebot.
Mit diesem Konzept eines Quasi–Shoppping-Centers im südlichen Überseequartier verlässt die Stadt ihr stadtentwicklungspolitisches Ziel einer Vernetzung der Geschäftsquartiere von City und HafenCity zugunsten einer Insellösung. Im polyzentrischen System der Hamburger Einzelhandelsstandorte wird der Shopping-Teil des geplanten südlichen Überseequartiers die Funktion eines eigenständigen Bezirksentlastungszentrums erhalten und nicht die einer Ergänzung des City-Einzelhandels.
Die falsche stadtentwicklungspolitische Weichenstellung wird verschärft durch die kommerziellen Auswirkungen auf den City-Einzelhandel:
Der Trägerverbund schließt nicht aus, dass das von Unibail-Rodamco geplante Investitionsvolumen von 860 Millionen Euro aus Sicht des Unternehmens ohne die projektierte Einzelhandelsnutzung immobilienwirtschaftlich nicht tragfähig ist. Gleichwohl spricht sich der Trägerverbund nach sorgfältiger Abwägung entschieden gegen die geplante Größe des Einzelhandels im südlichen Überseequartier aus. Das Entwicklungsprojekt schafft ein autonomes Quartier und verhindert die Integration von City und HafenCity. Den Einzelhandel in der gewachsenen City destabilisiert es statt ihn zu ergänzen. Die langfristigen negativen städtebaulichen Folgen für die gesamte Innenstadt und keineswegs nur für den innerstädtischen Einzelhandel sind deutlich größer als der Gewinn, den die Stadt aus dem Projekt zieht.
Anlage
Lage-Entwicklungen des City-Einzelhandels
Siehe auch: Fakten zum Einkaufszentrum im südlichen Überseequartier